Außerdem melden sich viele schwangere Frauen mit großen Ängsten oder werden von ihrer Hebamme oder Gynäkologin zur Geburtsvorbereitung an mich empfohlen und wir bearbeiten zunächst das vorige Geburts-Trauma.
Was ist ein Trauma?
„Ein psychisches Trauma ist ein Zustand starker Furcht, den wir erleben, wenn wir mit einer plötzlichen, unerwarteten und potentiell lebensbedrohlichen Situation konfrontiert werden, auf die wir selbst keinen Einfluss haben und auf die wir nicht effektiv reagieren können, so sehr wir uns auch bemühen mögen“ Dr. Raymond B. Flannery
„Ein Trauma ist im Nervensystem gebunden. Durch einschneidende Ereignisse hat es seine volle Flexibilität verloren. Wir müssen ihm deshalb helfen, wieder zu seiner ganzen Spannbreite und Kraft zurück zu finden.“ Dr. Peter A. Levine
Was geschieht, wenn wir uns als Mensch bedroht fühlen?Instinktiv versuchen wir uns zu orientieren und die Gefahr einzuschätzen. Ein Prozess wird in Gang gebracht, welcher dem Organismus signalisiert, dass er sich auf eine Abwehrreaktion vorbereiten muss. Wird die Bedrohung als existentielle Gefahr erkannt, kommt es im Körper zu einer massiven Überflutung mit Stresshormonen - Katecholamine - mit denen im Organismus die Energie bereitgestellt wird, die den Körper in die Lage für Kampf- oder Fluchtreaktionen → „Fight or flight“ versetzt.
Diese Vorgänge sind automatische, reflexhafte Überlebensreaktionen, die in den basalen Hirnstrukturen (Stammhirn, limbisches System) gesteuert werden und bewusst nicht zu beeinflussen sind – das heißt das Gehirn arbeitet anders als normalerweise, die Reaktionen und Entscheidungen sind instinktiv und vom Verstand abgekoppelt. Ist das bedrohliche Ereignis so überwältigend, dass weder Kampf noch Flucht möglich sind, wird in dem Prozess die letzte, das Leben erhaltende Option eingeleitet – wir reagieren mit unserer angeborenen Überlebensstrategie dem Totstellreflex. Diese Immobilitäts- oder Erstarrungsreaktion führt dann zur totalen Unterdrückung der mobilisierten Energie, sie wird quasi „eingefroren“.
Ein Bild zum besseren Verständnis wäre das immense Energiepotential eines Autos, bei dem Vollgas gegeben und gleichzeitig eine Vollbremsung gemacht wird.
Zitat von Peter Levine: “...Traumata entstehen, wenn bei der Überforderung des Nervensystems der ursprüngliche Zyklus von Orientierung, Flucht und Kampf nicht vollständig durchlaufen werden konnte, beziehungsweise gar nicht erst zustande kam..., somit ist ein Trauma eine biologisch unvollständige Antwort des Körpers auf eine existentiell bedrohlich erfahrene Situation..., es manifestiert sich im Körper und nicht im Ereignis...“
Bei einem Trauma ist also der Mechanismus von Spannung und anschließender Entladung gestört. Das Signal zur Normalisierung des Hormonhaushalts bleibt aus und der Körper ist weiterhin unter Anspannung. Die anhaltende Spannung kann sich nicht durch eine organische Selbstregulierung auf natürliche Weise lösen und abfließen, der Körper bleibt weiterhin auf Gefahr eingestellt. Dies führt zu vielfältigen, oft jahrelangen vegetativen Störungen.
Die erlebten Empfindungen und Gefühle des Entsetzens, des Gelähmtseins, der Hilflosigkeit und des Schreckens werden an die unterdrückte Energie gekoppelt im Körperbewusstsein dauerhaft gespeichert und sind gleichzeitig der willkürlichen, bewußten Erinnerung schwer bis gar nicht mehr zugänglich. Das Trauma, eine Verletzung der Seele ist nun als Erfahrung im Körper, im Nervensystem abgelegt und benötigt ebenso wie körperliche Wunden Pflege und Zeit zur Heilung.
Dabei ist ein Trauma nicht unbedingt an einem Ereignis festzumachen, sondern ausschließlich an der individuellen Reaktion des davon Betroffenen. Also davon, wie das Bewältigungssystem des einzelnen Menschen auf eine für ihn bedrohliche Situation reagiert. Ein Ereignis kann also für den einen Menschen eine spannende Grenzerfahrung sein und für den anderen zu einem schockierenden Erlebnis werden.
Eine traumatische Reaktion tritt ein, wenn sein Bewältigungssystem vollkommen überfordert ist und er oder sie sich hilflos, überwältigt, ohnmächtig, abhängig, ausgeliefert, beschämt und dadurch würdelos fühlt.
Geburt und Trauma
„Nein, es ist nicht undankbar, unglücklich über den Geburtsverlauf zu sein, auch wenn das Baby nun gesund und munter neben einem liegt. Es geht bei einer Geburt eben nicht nur um das Endergebnis, sondern auch um die Gefühle von uns Müttern. Ein Dammschnitt, eine Saugglockengeburt, ein Kaiserschnitt – all das sind Erfahrungen, die wir erst einmal in Ruhe verarbeiten müssen und über die wir nicht glücklich und dankbar zu sein brauchen, weil sie ja uns oder das Leben unseres Kindes gerettet haben. Sie haben uns trotz allem auch verletzt. Es ist okay, darüber auch traurig zu sein.“ Nora Imlau in ihrem aktuellen Buch „Das Geheimnis zufriedener Babys“
Die Geburt eines Kindes gehört zu den bedeutendsten Ereignissen und zu den größten körperlichen und seelischen Herausforderungen im Leben einer Frau. Diese Grenzerfahrung kann eine Frau reifen lassen und für ihr Muttersein stärken. Auch wenn eine Geburt im Normalfall kein plötzliches und unerwartetes Ereignis darstellt, wird sie doch begleitet von einer realen und gerechtfertigten Angst um sich und das Baby.
Der perfektionierte medizinische-technische Anteil in der heutigen klinischen Geburtshilfe vermittelt Frauen ein Sicherheitsgefühl, welches aber von außen kommt und ihr tiefes inneres Wissen um ihre natürliche Gebärfähigkeit verdrängt. Damit wird fatalerweise gleichzeitig das unbedingt notwendige Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ein Kind zu gebären fast vollkommen verringert. Leider sind Frauen dann auf die unglaubliche Wucht, die Heftigkeit, die unbändige mächtige Urkraft der Geburtserfahrung nur noch schlecht vorbereitet.
Wurden dann die Erwartungen und Hoffnungen zum Ablauf der Geburt nicht erfüllt, kann die Geburt ihres Kindes für eine Mutter zu einem traumatischen Erlebnis werden, dass den Beginn des Mutterseins sehr überschatten kann.
Im Verlauf der Geburt können verschiedene Umstände darauf Einfluss nehmen ob diese Erfahrung als traumatisch empfunden wird. Dies kann geschehen durch Routinemaßnahmen, instrumentelle Eingriffe, medizinische Interventionen die sich zu einer Kaskade ausweiten, mangelndes Einfühlungsvermögen und Ignoranz von Krankenhauspersonal, das Empfinden eines massiven Kontrollverlustes, wenn Frauen das Gefühl haben, es werde über ihren Kopf hinweg entschieden und gehandelt, sowie ein wenig würdevoller Umgang mit der Gebärenden und ihrem körperlichen Unbehagen, über einen längeren Zeitraum vor ihr unvertrauten Menschen unbekleidet zu sein.
Ihr Körper reagiert darauf mit seinem ureigenen instinktiven Schutzmechanismus, der Kampf-Flucht-Reaktion, verbunden mit der Ausschüttung von Stresshormonen, den Katecholaminen. Damit bereitet sich der alarmierte Organismus auf einen Notfall vor, bei der das Blut von der Gebärmutter weg in die äußeren Regionen des Körpers geleitet wird, die zur Verteidigung gebraucht werden (weglaufen, kämpfen), denn die Gebärmutter gehört nicht zu diesem Verteidigunssystem. Da Kämpfen oder Flüchten unter der Geburtssituation nicht möglich ist, bedeutet das eine Erstarrungsreaktion.
Gleichzeitig gibt es traumatische Vorerfahrungen und ungelöste Konflikte in der Lebensgeschichte einer Frau - vielleicht vergessen oder durch einen instinktiven Überlebensmechanismus verdrängt oder abgespalten und im Unterbewusstsein schlummernd - die durch die Schwangerschaft und/oder die Geburt reaktiviert werden.
In meinem Vortrag auf der Bindungsanalyse-Tagung Juni 2016, berichtete ich z. B. von den Erfahrungen in der Arbeit mit Klientinnen mit frühen sexuellen Gewalterlebnissen. Die schwangeren Frauen sind damit vollkommen alleine gelassen und sind sich der Mechanismen, wie die Missbrauchserfahrung zu ihrer traumatischen Geburtserfahrung führte, nicht bewusst, ebenso wenig wie dies vielen Hebammen und GynäkologInnen bewusst ist.
Aber auch eine natürliche, spontane Geburt ohne medizinische Interventionen kann subjektiv als besonders belastend und traumatisch erlebt werden und ebenfalls zu erheblichen seelischen Beeinträchtigungen führen, wenn eine Frau unter der Geburt durch Angst und Stress in den Zustand intensiver Hilflosigkeit gerät und die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten hierdurch überschritten werden.
Zeitverzögert stellt sich auch oft erst nach Wochen, Monaten oder sogar erst nach Jahren heraus, dass Frauen sich durch ihre Geburtserfahrung belastet fühlen, da zuerst die Freude über das Kind im Vordergrund steht.
Ich empfinde es als immens wichtig, sich als Traumatherapeutin in Selbsterfahrung mit der eigenen prä- und perinatalen Zeit auseinandergesetzt zu haben - ansonsten kann dieser Raum nicht ausreichend gut wahrgenommen werden, was dazu führen kann, dass bei der Frau das Trauma mit der nächsten Schwangerschaft erneut angetriggert wird.
Mein Handwerkszeug bei allen KlientInnen ist mittlerweile eine breit gefächerte Kombination meiner sämtlichen Ausbildungen und (Selbst)Erfahrungen. Je nachdem was gerade an Impulsen da ist, meinen oder denen der Frauen, bzw. was für sie unterstützend wirkt. Und das alles zusammen mit ganz viel Achtsamkeit, Respekt, Empathie und Intuition. So können sie alte Wunden heilen lassen und Frieden mit der Vergangenheit machen.